Sucht betrifft viele, alle anderen sind als Angehörige betroffen.

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Willkommen

Sie interessieren sich für die Angehörigenproblematik der Sucht? Vielleicht, weil Sie selbst als Kind, Partner, Eltern, Geschwister oder Freund betroffen sind, weil Sie sich in der Selbsthilfe engagieren oder weil Sie als Suchthelfer, Sozialarbeiter oder Psychotherapeut tätig sind? Vielleicht auch, weil Sie aus der Sucht ausgestiegen sind, und erfahren möchten, wie andere unter Ihrem süchtigen Verhalten gelitten haben? Diese Website solidarisiert sich parteiisch mit betroffenen Angehörigen.

Der Domänenname dieser Website soll einer vielschichtigen und facettenreichen Problematik eine eigene Überschrift geben. Angehörige sind nicht nur Anhängsel, sie leiden ebenso unter den Folgen und Begleiterscheinungen der Sucht wie die Suchtkranken. Co-abhängige Erlebens- und Verhaltensmuster sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Betroffenen in der Hilfe für eine nahestehende suchtkranke Person verstricken. Durch die Aufopferung im Dienste der Sucht vernachlässigen sie sich selbst, ihre Lebensinteressen und Selbstfürsorge. Darüber entwickeln sie nicht selten eigene psychosoziale und psychosomatische Probleme und Störungen.

Angehörige benötigen Hilfe, doch sie nehmen oftmals die eigene Not kaum wahr und bagatellisieren sie: "Ist nicht schlimm, alles gut!" Ihr stilles Leiden wird durch die Hilfesysteme nur unzureichend erkannt und infolgedessen fallen sie zwischen die Hilfenetze von Prävention, Jugendhilfe, Suchthilfe und Psychotherapie. In der bewussten Hinwendung zu und Beachtung von Angehörigen, davon bin ich überzeugt, liegt eine enorme Chance, die Hilfesysteme gerechter zu gestalten und eine bessere Vernetzung zu entwickeln.

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2024-09 | Vortrag & Lesung | Iserlohn

Angehörige im Schatten der Sucht

Save the date! Am 02.12.2024 lädt die Drobs Iserlohn ein. Annabelle Schickentanz liest vor und ich trage vor. Beginn um 14:00 Uhr mit einem Stehcafé, Ende um 16:00 Uhr. Aus dem Abstract zur Veranstaltung:

Die Millionen still leidenden Angehörigen von Suchtkranken fallen zwischen die Hilfenetze von Suchthilfe, Prävention, Psychotherapie und Gesundheitspolitik. Es fehlen bedarfsgerechte Angebote und die Systeme kooperieren ungenügend miteinander. So wiederholen die Betroffenen die familiäre Erfahrung, nicht gesehen, zurückgewiesen und alleingelassen zu werden.

Wir wollen uns in Vortrag und Lesung den Angehörigen solidarisch zuwenden und ihre Leiden und Probleme, aber auch ihre Ressourcen und Leistungen in den Fokus der Aufmerksamkeit rücken. Jens Flassbeck wird fachlich zum Thema informieren und Annabelle Schickentanz wird die Fachinhalte durch Kapitel aus Ihrem autofiktionalen und noch unveröffentlichten Roman "Jenseits der Wand" emotional mit Leben füllen.

Die Veranstaltung richtet sich gleichermaßen an die Professionen der aufgezählten Hilfesysteme wie auch an Betroffene. Im Anschluss an Vortrag und Lesung wird es Raum geben, gemeinsam ins Gespräch zu kommen.

Nähere Informationen stelle ich hier herein, sobald sie verfügbar sind.

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2024-11 | Radio | Selbsthilfe

Selbsthilfe hat Stimme

Einer Gruppenmoderatorin der Freundeskreise hat mich darauf hingewiesen: Sie und eine weitere Angehörige haben dem Radio Gütersloh ein Interview zur Thematik der Angehörigen und Selbsthilfe gegeben. Übrigens werde auch ich in dem Feature erwähnt. Aus der Ankündigung:

Selbsthilfegruppe für Angehörige von suchtkranken Menschen

Am 13. November 2024 ging es in unserer Sondersendung "Selbsthilfe hat Stimme" um ein Thema, das oft unter den Tisch fällt, aber unglaublich wichtig ist: Sucht trifft nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch ihre Familien. Angehörige leiden häufig unter großen emotionalen, psychischen und finanziellen Belastungen.

Wenn der Partner, ein Elternteil oder ein Kind abhängig ist – sei es von Alkohol, Medikamenten oder Drogen – trifft das auch die Angehörigen hart. Für sie ist es wichtig, Wege zu finden, wie sie mit der Situation umgehen können, ohne daran zu zerbrechen. Genau darum geht es in unserer Sondersendung am 13.11.2024. Wir stellen die Selbsthilfegruppe für Angehörige von Menschen mit Suchterkrankungen in Gütersloh vor. Eva und Ulrike (Namen von der Redaktion geändert) erzählen ihre Geschichte – wie sie Hilfe fanden, schwierige Momente gemeistert haben, was die Treffen ausmacht und wie ihr selbst teilnehmen könnt.

Empfehlenswert, hören Sie selbst herein!

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2024-11 | Musik

Wenn er nicht trinkt

Eine Betroffene hat mich auf eine Neuveröffentlichung von Sarah Lesch hingewiesen. Auf der Platte "Gute Nachrichten" ist auch das Lied "Wenn er nicht trinkt". Lesch singt es aus der Perspektive einer Frau, welche mit einem Trinker liert ist. Der gleichermaßen ironische wie auch traurige Unterton, mit dem sie von dem gemeinsamen Lebensalltag erzählt, spricht mich sehr an. Die Frau steckt zwar noch in der Situation und man weiß nicht, ob sie sich befreien wird, doch sie hat schon verstanden, dass er nicht aufhören wird und sie dem ohnmächtig ausgeliefert ist.

Ich mag es gern, wenn er morgens schon auf ist
und mir liebevoll Kaffee ans Bett bringt,
weil er sowieso schon an der Theke war,
weil er nicht schlafen kann,
wenn er nicht trinkt.
...

Bei der Gelegenheit darf ich Sie auf die Seite Medien hinweisen. Dort finden Sie weitere Musik zum Angehörigenthema, aber auch Romane, Filme, Fotokunst etc. Alle Lieder und Platten dort habe ich gehört, alle Filme gesehen und alle Bücher gelesen, bevor ich sie auf die Liste aufgenommen habe. Diese kleine Bibliothek ist in den letzten vier bis fünf Jahren peu à peu entstanden. Das Auswahlkriterium für die Aufnahme auf die Seite ist, ob der Beitrag angehörigenzentriert ist. Falls Sie kreative Werke zum Thema kennen, die noch fehlen, schicken Sie mir gerne ein E-Mail.

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» Medien

Hoppe, C. (2024) Säuferkind. Mein Leben als Co-Abhängige und wie ich trotzdem glücklich wurde. Berlin: Ullstein.

Die letzten drei Jahre habe ich alle (autobiografischen) Romane zum Angehörigenthema gelesen, die mir empfohlen wurden und die ich finden konnte, insgesamt 20 Bücher. Jetzt reicht es! Auf meinem Nachttisch liegen schon zwei Bücher mit anderer Thematik. Darauf freue ich mich. Doch noch eine letzte Rezension zu einem Buch, dessen Wert darin liegt, dass es ganz unspektakulär und unprätentiös daherkommt. Cornelia Hoppe schildert ihre Geschichte als Säuferkind. Nachstehend die Inhaltsangabe von der Verlagsseite:

St. Pauli, 70er Jahre: Cornelia Hoppe wächst mit alkoholkranken Eltern in bitterer Armut auf. Ihr Spielplatz sind triste Trinkerkneipen mit zwielichtigen Gestalten. Einerseits schämt sich Cornelia schon als kleines Kind für ihre Eltern, andererseits sorgt und kümmert sie sich um sie – als typisch Co-Abhängige.

In der Ehe mit einem erfolgreichen Banker scheint sie dann schließlich das Glück gefunden zu haben. Leider merkt Cornelia aber irgendwann, dass auch ihr Mann trinkt und der Teufelskreis von vorne beginnt: Sie leidet still, schämt sich, kümmert sich, hält trotz allem zu ihm. Irgendwann erkennt sie, dass auch ihre Kinder drohen, co-abhängig zu werden. Trotz wirtschaftlicher Abhängigkeit schafft es Cornelia schließlich, ihren Mann zu verlassen – und damit sich und ihre Kinder zu retten.

Säuferkind ist ein ehrlicher, schonungsloser Bericht, der gleichzeitig Mut macht und zeigt, dass es möglich ist, sich aus den Fesseln der Co-Abhängigkeit zu befreien.

Wie auch das Buch von Klaffke-Römer, Mein Herz an stillen Tagen, könnte Hoppes Geschichte als Lehrbuch zu dem Themenkomplex Kinder aus Suchtfamilien und Co-Abhängigkeit genutzt werden. Ihre Autobiografie ist die einzige, die ich kenne, in der das Phänomen geschildert wird, wie die Kindheit in einer Suchtfamilie später in einer Ehe mit einem suchtkranken Mann mündet. Doch anders als Klaffke-Römer und andere schildert Hoppe ihre Geschichte ganz unaufgeregt. Sie nimmt die Perspektive einer Person ein, die erstaunt zurückblickt, was ihr alles widerfahren ist. So beherrscht Hoppe die Kunst, auch hochgradig beschämende Situationen nüchtern zu erzählen, ohne dass die Erzählung in "der Scham vor der Scham" versinkt.

Die Reflexionen in dem Buch sind eher sparsam und klar, die Sprache ist einfach und der Erzählfaden stringent, ohne große Dramaturgie. Diese erzählerische Bescheidenheit wirkt stimmig, authentisch und sympathisch. Als Leser bin ich beim Lesen nur milde affiziert worden, man fühlt mit der Protagonistin mit, ohne in ihrer leidvollen Betroffenheit zu versinken. Dadurch sind die Geschehnisse gut nachzuvollziehen, ohne eine schlaflose Nacht danach zu bewirken.

Es ist, als warte man auf ein Wunder. Man wünscht sich so sehr, dass es eintritt. Ich habe dann gedacht, so Mutti, heute ist alles schön, jetzt gehst du bitte nicht in die Kneipe. Die Folge war Enttäuschung.

Dass ich wiederum nicht die Ursache dafür bin, dass meine Eltern getrunken haben, das wusste ich schon. Und diese Erkenntnis ist gar nicht mal so wenig. Ich hatte keine Schuld auf mich geladen, war kein Kind, das seinen Eltern Kummer machte.

Die besondere Tragik einer Co-Abhängigkeit zeigt sich ja vor allem dadurch, dass man sich die Verantwortung für die Süchtigen selbst auflädt. Gleichzeitig wünscht man sich, dass das eigene Bedürfnis nach Aufmerksamkeit, Respekt und Liebe von den eigenen Eltern erfüllt wird. Die sind aber so sehr in ihrer eigenen Sucht gefangen, dass sie die seelischen Verletzungen, die ihre Kinder davontragen, nicht wahrnehmen.

» Säuferkind auf Ullstein

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2024-10 | ZEITmagazin | Martenstein

Verleugnung des Sichtbaren

Ich möchte ein neues Feature für Co-ABHAENGIG.de ausprobieren, kleine Impulse für betroffene Angehörige zu geben. Ausgehend von persönlichen Erfahrungen in meinem Engagement in der Sache sollen die Essays Sie mittels psychologischer, philosophischer und soziologischer Reflexionen zum Nachsinnen über die eigene Situation und zum Bilden eigener Haltungen und Handlungen anregen, damit Sie Unabhängigkeit gewinnen und wahren können. Die Impulse werden auf der gleichnamigen Seite Impulse unter der Rubrik Ansichten gesammelt. Eine Meldung aus dem Sommer 2024 habe ich dorthin schon verschoben, um einen Anfang zu machen. Heute soll es mit einer Überlegung zur psychosozialen Abwehr des für alle Sichtbaren losgehen, angestoßen durch eine Kolumne von Harald Martenstein im ZEITmagazin, Nr. 43 vom 10.10.2024, in der das Thema Sucht in einer Nebenrolle erwähnt wird.

Martenstein beschreibt dort ein Phänomen, welches schon so alt ist, wie es Menschen gibt, nämlich dass eine für jeden sichtbare Angelegenheit verleugnet wird. Er macht es an dem Politiker Cem Özdemir und dem ehemaligen Nachrichtensprecher Ulrich Wickert fest, die öffentlich über sexistische Entgleisungen von jungen Männern mit Migrationshintergrund gesprochen haben und daraufhin von anderen Personen des öffentlichen Lebens der Lüge bezichtigt wurden. Neben der von Martenstein beschriebenen Realitätsverleugnung hat die psychosoziale Abwehr eine zweite Seite, nämlich die Invalidierung. Die Erfahrungen, das Fühlen und Denken einer Person wird für ungültig erklärt, um die Person mundtot zu machen. Die Verleugnung dient der intrapsychischen Abwehr, die Invalidierung der interpsychischen Abwehr.

Wenn es nicht pietätlos wäre, könnten wir Martensteins Einschätzung sokratisch disputieren, ob die Folgen der Leugnung von Sucht "ein paar Nummern kleiner" seien. Der Disput ist eh müßig, denn Gewalt durch Männer (mit und ohne Migrationshintergrund) an Frauen ist allzu häufig durch übermäßigen Suchtmittelkonsum enthemmt. In der Kürze einer Kolumne, das wollen wir ihm auch zugutehalten, können nicht alle Zusammenhänge bis ins Detail beleuchtet werden.

Suchtkranke verleugnen ihre Sucht; die Kombination aus Uneinsichtigkeit und Tabuisierung ist vielleicht das Hauptsymptom der Sucht. Angehörige werden rund um die Uhr durch den Suchtkranken und co-abhängig verstrickte Personen invalidiert. KlientInnen berichten mir häufig in der Therapie davon, wie sie in ihren Wahrnehmungen, Meinungen und ihrer Not von anderen schön- und kleingeredet werden. Aber auch die KlientInnen selber können und wollen die Tragweite der Sucht oftmals nicht erkennen, wenn sie sich z.B. über süchtige Verhaltenszwänge aufregen. Sie legen den falschen Maßstab an und übersehen, dass der Suchtkranke symptomatisch keine Wahl hat. Obendrein invalidieren sie das eigene Erleben, z.B. indem sie ihre Wut und Trauer unterdrücken. Im Extremfall kippen KlientInnen in der Therapie und leugnen von einer Stunde zur nächsten das Offensichtliche: "Er hat mir versprochen, aufzuhören. Alles wird jetzt gut werden. Wir lieben uns so sehr" und brechen die Therapie ab.

Auf dieselben verzerrenden und verleugnenden Muster treffe ich, wenn ich mich in der Sache öffentlich engagiere, also Vorträge halte, Interviews gebe oder Fortbildungen durchführe. "Auf der Bühne" habe ich schon alle Spielarten der Abwehr erlebt: Lügen, Ignoranz, Beschuldigungen, Abwertungen bis hin zu sogar Gewaltandrohungen. Meine Reaktionen darauf werden sich nicht groß von Ihren Reaktionen als Angehörige unterscheiden: Unmittelbar kränkt mich die Invalidierung meiner Erfahrungen und die Verleugnung von selbst wissenschaftlichen Befunden. Es macht mich zornig, wenn der "Elch im Wohnzimmer" nicht benannt werden darf (» mehr). Der Elch im Wohnzimmer ist - ähnlich wie der dunkle Lord, dessen Name nicht gesagt werden darf, bei Harry Potter - eine Metapher für die Tabuisierung menschlichen Erlebens in Suchtfamilie.

Wenn mein Zorn verraucht, werde ich stets hilflos, traurig und erschöpft. Ein wenig verzweifelt hinterfrage ich manchmal meinen Einsatz. Die Antwort ist stets dieselbe und ernüchternd: Aufgeben ist in diesem Fall keine Option. Die co-abhängige Selbstverleugnung und die süchtige Realitätsverleugnung sind der gleichermaßen brutale wie auch tragikomische Versuch, die Lebens- und Todesangst zu überwinden. Diese Kontrolle nimmt das Leben in den Würgegriff, was Paulo Coehlo de Souza ironisiert hat: "Wenn Du denkst, das Abenteuer sei gefährlich, versuche die Routine. Sie ist tödlich." (Co-)Abhängige Routine ist die totale Kontrolle, sie erstickt das Leben.

Es geht darum, frei atmen zu können und selbstbestimmt zu leben. Die Freiheit, sich der Vielschichtigkeit der Realität immer wieder aufs Neue zu stellen und das Abenteuer Leben zu wagen, ist gefährlich und beängstigend. Die Selbstannahme, Angst haben zu dürfen, schafft Einzigartigkeit, Unabhängigkeit und Würde. Meine fortwährenden Zweifel, mich selbst, andere und das Leben zu hinterfragen, erfahre ich als die Grundlage meiner Lebendigkeit und Leidenschaft. Diese zweifelnde Erfahrungsoffenheit ist das große, humanistische Lebensthema von Martenstein, dessen wöchentliche Kolumne ich seit langem schätze.

Aus der liebevollen Versorgung meiner Kränkungen, die ich durch das Engagement in der Angehörigensache erfahren muss, ziehe ich übrigens Trost, Orientierung, Lebenskraft und -mut. Wenn die Wunden geleckt sind und der Schmerz beweint ist, fühle ich mich bereichert, es befreit kreative Energien in mir, z.B. den Impuls dieser Website eine neue Seite zu schenken. Um die Bildsprache von Martin Fengel in der Kolumne aufzugreifen: Wachstum benötigt Sonne und Regen. - Probieren Sie es aus und gehen Sie im Regen spazieren!

Folgend einige Hinweise zum Gebrauch und zum konzeptionellen Hintergrund dieser Website:

Schmökern

Diese Website ist zum Schmökern gedacht. Sie ist gefüllt mit Informationen, die sich an verschiedene Gruppen richten: Kinder aus Suchtfamilien, PartnerInnen, Eltern, andere Angehörige, Freunde, Kollegen, Suchtbetroffene, Fachleute, Journalisten und alle anderen, die sich informieren wollen. Die Inhalte bilden das Spektrum von trockenen Fachkonzepten bis hin zu kreativen Medien ab. Um Ihnen die Orientierung zu erleichtern, gibt es erstens ein Sidemap, welches Sie auf jeder Seite unten links im Footer aufrufen können. Zweitens finden Sie unten auf den Seiten die Rubrik Obendrein mit Vorschlägen für inhaltlich ähnliche, weiterführende Seiten.

» Sidemap

Eine Angehörigenproblematik

Verschiedene Gruppen sind als Angehörige von Sucht betroffen: Kinder, erwachsene Kinder, Partner, Eltern, Geschwister, Freunde, Arbeitskollegen, Suchthelfer etc. Die Betroffenheit hat zwar viele individuelle Gesichter, doch es gibt meines Erachtens nur eine Angehörigenproblematik. Das möchte ich Ihnen anhand von zwei Argumenten erläutern.

Erstens überschneiden sich die Betroffenengruppen erheblich. Dies liegt an der co-abhängigen Transmission (» mehr). Mädchen - seltener Jungen - aus Suchtfamilien, suchen sich als Erwachsene überdurchschnittlich häufig suchtkranke Partner. Aus diesen (co-)abhängigen Partnerschaften gehen wiederum süchtig und co-abhängig gefährdete Kinder hervor. Geschätzt die Hälfte der Partnerinnen und Mütter und auch, doch seltener Partner und Väter, die ich in über 20 Jahren Angehörigenarbeit behandelt habe, ist biografisch schon durch eine Kindheit in einer Suchtfamilie vorbelastet gewesen.

Zweitens sind alle Personen, die in einem engen, langfristigen Kontakt mit Suchtkranken stehen, denselben Belastungen ausgesetzt: Das berauschte und entzügige Verhalten der Suchtkranken ist selbstsüchtig, verantwortungslos und unzuverlässig. Als Reaktion darauf entwickeln die Angehörigen komplementäre Muster der Selbstlosigkeit, Verantwortungsübernahme und Verlässlichkeit, um die Defizite der Suchtkranken auszugleichen. Auch wenn Kinder zweifelsohne aufgrund ihrer ungefestigten Persönlichkeit besonders vulnerabel sind, sind die psychosozialen Leiden und Folgeprobleme der unterschiedlichen Angehörigengruppen im Prinzip dieselben.

Aus den beiden genannten Gründen wird die Angehörigenproblematik auf dieser Website ganzheitlich betrachtet und behandelt.

Suchthelfer sind Angehörige

Bevor ich mich ambulant als Psychotherapeut niedergelassen habe, habe ich lange als Suchttherapeut gearbeitet. Damals habe ich nach und nach begriffen, dass die Themen und Probleme der Angehörigen ähnlich den beruflichen Herausforderungen der Suchthilfe sind. Auch Suchthelfer können sich in selbst aufopfernden und Verantwortung schulternden Mustern verlieren. Wie Dachdecker vom Dach fallen können, können sich Suchthelfer verstricken. Es ist ihr Berufsrisiko.

Die therapeutische Arbeit mit Angehörigen ist Psychohygiene für Suchthelfer. Indem ich Angehörigen geholfen habe, klarer zu werden und sich besser abzugrenzen, habe ich implizit gelernt, mich gegenüber der suchtkranken Klientel konsequenter zu verhalten. Es hat mir geholfen, sowohl die Sorge für die süchtige Klientel als auch die Selbstfürsorge im Berufsalltag besser auszubalancieren, um nicht auszubrennen und hart und negativ zu werden. Zynismus ist eine häufig zu findende Form der psychischen Beschädigung von Suchthelfern und Angehörigen.

Der Begriff Angehörige wird auf dieser Website als eine Kategorie verwendet, unter die auch Suchthelfer fallen. Alle Inhalte richten sich gleichermaßen an familiär und beruflich Betroffene.

Angehörige von psychisch kranken Personen

Alle Angehörigen von psychisch kranken Personen sind belastet. Warum beschränkt sich diese Website auf das Angehörigenthema der Sucht?

Abhängigkeitserkankungen sind auch psychische Störungen, doch sie unterscheiden sich in einem Aspekt von den meisten anderen psychischen Störungen. Der Suchtmittelmissbrauch ist der Versuch, eine primäre psychische Erkrankung zu bewältigen. Durch den Rausch werden die psychischen Leiden betäubt. Kurzfristig sorgt dies zwar für Erleichterung, doch langfristig verschlimmert sich derart die primäre Problematik und schafft zudem zerstörerische Folgeprobleme. In der Problemverleugnung, den süchtigen Manipulationen, Beschämungen und Beschuldigungen und den rausch- und entzugsbedingten Übergriffigkeiten entwickeln Suchterkrankungen zerstörerische Auswirkungen auf das soziale Umfeld.

Diese schädigenden sozialen Effekte sind bei anderen psychischen Störungen in der Stärke und dem Ausmaß nur selten zu finden. Bitte missverstehen Sie mein Argument nicht, es beschreibt nur eine Tendenz. Ihre konkrete, individuelle Situation kann nämlich ganz anders aussehen, z.B. können Angehörige von Personen mit Impulskontrollstörungen ebenfalls Übergriffigkeiten erfahren. Übrigens gehen solche aggressiven Störungen häufig mit Suchtmittelmissbrauch einher. Nichtsdestotrotz ist - im Gegensatz zur süchtigen Uueinsichtigkeit - den meisten psychisch erkrankten Personen sehr wohl bewusst, dass sie krank sind, und sie tun alles, damit andere nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Diese Website muss inhaltlich begrenzt werden, damit sie nicht ausufert und beliebig wird. Diese Entscheidung hat Vorteile, sie hat aber auch Nachteile. Die Problematik von Angehörigen psychisch kranker Personen wird auf CO-ABHAENIGIG.de implizit berücksichtigt. Sind Sie als Angehörige in diesem Sinne betroffen, sind Sie eingeladen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkunden.

Illustrationen

Die Illustrationen von Prinzessin & Frosch, welche diese Website schmücken, sind von Sina Gruber, eine junge Künstlerin und damals Studentin der Psychologie aus Kassel. Die 23 Werke entstanden 2013 auf Grundlage des Manuskriptentwurfs zum Ratgeber "Ich will mein Leben zurück!"

Anliegen

Co-ABHAENGIG.de habe ich 2010 eingerichtet, als mein erstes Fachbuch zum Thema herauskam. Damals hat es im deutschsprachigen Raum kaum informative Internetrepräsentationen zum Thema gegeben. Seitdem sind zwei weitere Fachbücher entstanden, ich habe eine Reihe an Artikeln verfasst, unzählige Vorträge gehalten, Interviews gegeben und Workshops und Fortbildungen zum Thema durchgeführt. Darüber hatte ich viele bereichernde Begegnungen zu Betroffenen wie auch zu anderen, in der Sache engagierten Fachleuten. Es sind kleinere und größere, kurz- und langfristige Kooperationen zustande gekommen. Vor allem aber habe ich von meinen Klienten gelernt. Ihre Erfahrungen sind für mich Geschenke. Ich bin dankbar, dass ich an ihren Entwicklungen, sich zu befreien und ihr Leben zurückzuerobern, teilhaben darf.

So ist aus dem in der Freizeit gepflegten Steckenpferd mein heutiger Arbeitsschwerpunkt geworden. Mit diesem Prozess ist auch die Website peu à peu gewachsen. Motiviert durch die Kooperation mit der Kollegin und Mitautorin, Judith Barth, habe ich mit dem Jahreswechsel 2020/21 alle Inhalte gründlich überarbeitet, Design und Navigation erneuert und jede Menge neue Seiten hinzugefügt. Das Motiv für mein Engagement hat sich in all den Jahren nicht verändert: Ich möchte über eine tabuisierte Thematik aufklären und zum kritischen Nachsinnen und konkreten Handeln anregen. Darüber hinaus gestalte ich die Website eigenständig und unabhängig und verfolge damit keine wirtschaftlichen, institutionellen oder sonstigen Interessen.

meditierende prinzessin