Angehörige von Suchtkranken können sich in der Hilfe für den Kranken problematisch verstricken. Angetrieben von Angst- und Schuldgefühlen müssen sie helfen. Sie erleben es als alternativlose Notwendigkeit und ihr Erleben und Verhalten ist mehr oder weniger eingeengt und zwanghaft. Die Hilfe für Angehörige zielt darauf ab, die Fokussierung auf den Suchtkranken abzumildern, indem die Betroffenen lernen, sich abzugrenzen und Nein zu sagen. Dies bedeutet auch, die übermäßige Fremdverantwortung abzugeben: "Die Sucht ist sein Problem und es ist seine Verantwortung, sich auf den Weg zu machen und sich dafür die notwendige Unterstützung zu holen." Diese Abgrenzung ist indes nur Mittel zum Zweck, Raum für sich zu gewinnen. Es geht darum, diesen Raum zu nutzen, um sich sich selbst zuzuwenden, sich wahrzunehmen und sich selbst in den Mittelpunkt des eigenen Lebens zu rücken: "ICH statt ER".
Die Angehörigen sollen eine freie Wahl entwickeln, sowohl Hilfe geben zu können als auch diese ablehnen zu dürfen. Dies bedeutet, die falsche Hoffnung, Heilsillusionen und überfordernde Ideale über Bord zu werfen, Ohnmacht und Erschöpfung wahrzunehmen, die Grenzen der Belastbarkeit zu erkennen und die eigene Befindlichkeit ins Zentrum des Erlebens zu stellen.
Tabuspiel
Wenn in Einzelsitzungen oder Angehörigengruppen die Betroffenen zu sehr von dem Suchtkranken, seinem Verhalten und den zerstörerischen Auswirkungen der Sucht eingenommen sind und ausschließlich darüber reden, setze ich gerne das Tabuspiel ein. Der Suchtkranke wird symbolisch aus dem Raum geschickt und darf nicht mehr benannt werden. Zusätzliche Instruktion ist es, jeden Satz mit dem Personalpronomen Ich zu beginnen und ausschließlich das eigene Erleben zu beschreiben. Sobald Angehörige den Suchtkranken direkt oder indirekt benennen, werden sie unterbrochen: "Bitte versuchen Sie, die Ereignisse ausschließlich aus Ihrer Sicht zu schildern, und konzentrieren Sie sich allein auf das eigene Erleben."
Die Effekte dieser Übung sind für die Betroffenen unmittelbar erfahrbar.
Gruppenregel: Nach meinen Erfahrungen ist die große Ressource von Angehörigen, dass sie sich gegenüber anderen Personen freundlich, verständnisvoll, solidarisch und dankbar verhalten. Angehörigengruppen sind in Folge dessen ein Selbstläufer und funktionieren reibungslos. Sie benötigen deshalb nur eine einzige Regel: "Wir sprechen nicht über die Suchtkranken. Wir tauschen uns über uns, unser Leben, unsere Schwierigkeiten, Gefühle, Wünsche, Interessen, Überzeugungen, Vorstellungen und Werte aus."