Falls Ihnen Familie und Freunde trotz aller Bemühungen nicht helfen können, Sie sich durch diese unverstanden und alleingelassen fühlen und sich Ihre psychische und soziale Situation immer weiter zuspitzt, kann das Aufsuchen einer professionellen Stelle notwendig und lohnenswert sein.
Beratungsstellen
Sucht- und Drogenberatungsstellen sind Kompetenzzentren in Bezug auf Abhängigkeitsprobleme und daher auch für Angehörige die erste Wahl als Anlaufstelle. Es gibt durchaus engagierte Beratungsstellen, die Einzelberatung oder Gruppen für Angehörige anbieten. Falls Sie nach fachlicher Hilfe suchen, rufen Sie in der Suchtberatungsstelle vor Ort an oder besuchen Sie die Sprechstunde. Auch in einer Lebens-, Familien- oder Frauenberatungsstelle können Sie ggf. angehörigenzentrierte Hilfe erhalten.
Bedauerlicherweise gibt es immer noch viel zu viele Beratungsstellen, die dem Hilfebedarf der Angehörigen nicht die notwendige Aufmerksamkeit schenken. Sollten Sie das Gefühl haben, dass Ihre persönlichen Probleme und Belastungen als
Angehörige nicht gesehen und gewürdigt werden, Sie nur als Anhängsel des Suchtkranken betrachtet werden und Sie gar co-therapeutisch "missbraucht" werden, um Zugang zum Suchtkranken zu gewinnen und Einfluss auf ihn auszuüben, in diesem
Fall suchen Sie sich bitte ein anderes Hilfeangebot.
Ambulante Psychotherapie
Falls Sie in Folge des Stresses durch das Zusammenleben mit einem Suchtkranken einen hohen Leidensdruck und eigene psychische und psychosomatische Beschwerden (Burnout, Ängste, Depressionen etc.) entwickeln, die Sie in Ihrem täglichen
Leben beeinträchtigen, kann eine ambulante Psychotherapie indiziert sein. Der Schutzraum einer Einzeltherapie und die dort erfahrene Zuwendung ermöglicht Ihnen, Abstand zu nehmen und durchzuatmen, sich zu wieder fühlen, die eigenen
Gedanken zu ordnen, Entscheidungen zu treffen und wieder gut für sich zu sorgen.
Bei Kindern, die in Suchtfamilien aufgewachsen sind, kann sich noch im Erwachsenenalter eine komplexe Posttraumafolgestörung mit Depressionen, Ängsten, Dissoziationen und anderen psychosomatischen Beschwerden manifestieren. Typische
Beschwerden dieser komplexen PTBS sind:
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eine allgemeine Unfähigkeit, sich körperlich und emotional zu fühlen
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der Eindruck, ständig neben sich zu stehen und sich selbst zu beobachten
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sich anders, fremd oder isoliert zu fühlen; sich selbst egal sein
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ständige Selbstzweifel, Selbstablehnung, Versagensgefühle, Schuld- und Schamgefühle
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vielfältige Lebensängste, hohe innere Anspannung, soziale Ängste, Misstrauen
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eine starke Neigung, Nähe zu vermeiden und sich zurückzuziehen
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Mangel an Selbstfürsorge; kaum Lebensgenuss
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Vermeidung, eigene Ziele und Interessen zu leben und sich zu verwirklichen
Auch in diesem Fall, sind Sie beim ambulanten Psychotherapeuten gut aufgehoben, um Trauma, Entfremdung und Isolation zu überwinden. In den Sprechstunden und Probesitzungen zu Anfang einer Therapie können Sie überprüfen, ob Sie sich bei dem gewählten Behandler wohl und als Person und mit Ihren suchtbelasteten Themen verstanden und angenommen fühlen.
Broschüre "Wege zur Psychotherapie" (BPtK)
Psychosomatik
Wenn Sie krankhaft vom Suchtkranken und dem Wunsch, helfen zu wollen, eingenommen sind, Ihnen zu Hause alles über den Kopf wächst, die Bewältigung des Alltags Ihnen schwerfällt und Erschöpfung, Depressionen, Ängste und Leidensdruck ins Unermessliche wachsen, dann hilft nur noch sehr viel Abstand. In einer stationären psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme können Sie, fern vom Suchtkranken und entlastet von Ihrer verfahrenen Lebenssituation, zu Kräften kommen, einen klaren Kopf gewinnen und Ihre Entscheidungs- und Handlungsfähigkeit wiedererlangen. Lassen Sie sich durch eine Beratungsstelle oder einen Arzt Ihres Vertrauens bei der Vermittlung helfen. Für die Kostenbeantragung benötigen Sie ein
ärztliches Gutachten.
Hinweis: Früher konnte ich Ihnen zwei Kliniken nennen, die psychosomatisch erkrankten Angehörigen explizite Therapieangebote gemacht haben. Beide Angebote wurden nach meinem Kenntnisstand bedauerlicherweise eingestellt.
Frauenhaus, Jugendamt, Notruf, Opferhilfe, Polizei, Anwalt
Falls Sie oder auch Ihre Kinder psychischer und physischer Übergriffigkeiten durch einen Suchtkranken ausgesetzt sind oder der Suchtkranke gegen das BtMG oder wegen Beschaffungskriminalität gegen andere Gesetze verstößt, kann die
Inanspruchnahme der aufgezählten öffentlichen Stellen unumgänglich werden, um sich und die Kinder zu schützen und einen noch größeren Schaden abzuwenden. Weil Angehörige diesbezüglich oftmals (moralisch) verunsichert sind, möchte ich
hier eindeutig Stellung beziehen: Ja, Sie dürfen ihren z.B. gewalttätigen Partner oder dealenden Sohn anzeigen. Ob Sie juristische Schritte einleiten oder nicht, ist einzig und allein Ihre Verantwortung und Entscheidung.
Krisendienst, Sozialpsychiatrischer Dienst, Notarzt, Krankenhaus
In dem Fall, dass der Suchtkranke psychisch oder körperlich in eine Krise gerät, er z.B. suizidale Äußerungen tätigt, sich verletzt hat oder einen anderen körperlich bedenklichen Zustand erleidet, zögern Sie bitte nicht, die aufgezählten Dienste aufzusuchen oder einzuschalten. Wenn der Suchtkranke psychisch oder somatisch in Not ist und Sie die Situation als gefährlich einstufen, dürfen Sie ihn nicht mehr transportieren. In diesem Fall rufen Sie sofort den Notarzt oder Rettungsdienst (112), der alles Weitere, z.B. den Transport per Krankenwagen in ein somatisches oder psychiatrisches Krankenhaus veranlasst. - Falls Sie in der Frage der Ersten Hilfe bei Krisen unsicher sind, lassen Sie sich bitte vorab durch den Sozialpsychiatrischen Dienst (SPD) beraten, damit Sie vorbereitet und handlungsbereit sind.