2023-04 | Altenkirchen | Fortbildung
Am 21. und 22.04.2023 absolvierten wir den zweiten Teil der Fortbildung Behandlung des Suchttraumas in Altenkirchen. Die Veranstaltung umfasste vier Tage und fand in Kooperation durch die Suchtpräventionsstelle der Diakonie Altenkirchen, der Suchtprävention des Landesamtes für Soziales, Jugend und Versorgung in Rheinland-Pfalz und mir als Referent statt. Die TeilnehmerInnen kamen aus Suchtpräventions- und Suchtberatungsstellen in Rheinland-Pfalz. Einige von ihnen sind spezialisiert auf die Arbeit mit suchtbelasteten Kindern und/oder erwachsenen Angehörigen, andere arbeiten sowohl mit Suchtbetroffenen als auch mit Angehörigen.
Im ersten Teil der Fortbildung, der Ende 2021 stattfand, wurden grundlegende Kompetenzen der Diagnostik, Analyse und Behandlung vermittelt. Den darauf aufbauenden zweiten Teil der Fortbildung habe ich unter das Motto "Loslassen und Raum geben" gestellt. Die anwendungsbezogene Vermittlung der Inhalte und Kompetenzen wurde durch Übungen zur Selbsterfahrung angereichert. Folgende Methodik der Beratung/Therapie bei suchttraumatisierten (erwachsenen) Kindern und anderen suchtbetroffenen Angehörigen wurde vertieft:
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Beziehungsgestaltung
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Problemverständnis, Motivation, Ziele
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Abbau von co-abhängigen Verhaltensmustern und Erlernen unabhängiger Skills
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Disputation von abhängigen Einstellungen und Stärkung von selbstbestimmten Überzeugungen
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körperorientierte Erlebensaktivierung, Atemtherapie, Selbstkontakt
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Emotionsfokussierte Methoden (Angst, Wut, Trauer, Scham)
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Traumabewältigung, Kontakt zum inneren verletzten Kind
Dadurch dass alle TeilnehmerInnen aus der Praxis kamen, hatten wir vier intensive und lehrreiche Tage des Austauschs und Ausprobierens. Als positiver Nebeneffekt der Veranstaltung konnte die schon bestehende Vernetzung in Rheinland-Pfalz ausgebaut werden. So hat sich eine Intervisionsgruppe zur Fallbesprechung und zum Austausch über angehörigenbezogene Themen gegründet, welche alle drei Monate online stattfindet.
Mein Ziel war es, eine praxisorientierte und zertifizierbare Fortbildungskonzept zu entwickeln und auszuprobieren, durch welche Fachkräfte gezielt geschult werden können, traumatisierte Kinder aus Suchtfamilien und andere psychisch erkrankte Angehörige bedarfsgerecht zu unterstützen. Dies ist uns in Altenkirchen - auch und vor allem durch die fruchtbare Kooperation von Suchtprävention, Landesamt und Psychotherapeut - voll und ganz gelungen. Mein Traum ist es, die Fortbildung in Kooperation mit einem geeigneten Träger bundesweit anzubieten, um Qualitätsstandards in der angehörigenzentrierten Arbeit zu etablieren. - Ich bin gespannt, wie es in der Sache weitergehen wird.
Auf der Seite Materialien von Co-ABHAENGIG.de finden Sie unter der Rubrik Behandlung des Suchttraumas Arbeitsmittel, die in der Fortbildung genutzt und auf Grundlage des Fachbuches Die langen Schatten der Sucht (Flassbeck & Barth, 2020) entwickelt wurden.
» Arbeitsmittel zur Behandlung des Suchttraumas
» Behandlungskonzept Suchttrauma
2023-04 | Film | Rezension
van Groeningen, F. (Reg., 2018). Beautiful Boy [Film]. United States: Amazon Studios.
Eine Betroffene, Mutter eines drogenabhängigen Sohnes, hat mir den Film empfohlen. Er beruht auf einer wahren Geschichte eines Vaters und seines drogenabhängigen Sohnes an der Westküste der USA (San Francisco, Los Angeles). Das Besondere ist, dass das Drehbuch auf den Erzählungen beider basiert, welche jeweils in Romanen niedergeschrieben wurden: "Beautiful Boy: A Father´s Journey Through His Son´s Addiction" von David Sheff und "Tweak: Growing Up on Methampetamines" von Nic Sheff.
Der Film wechselt ständig zwischen den Perspektiven von David und Nic. Die Filmszenen sind in Bezug auf den Sohn chronologisch geordnet, springen in Bezug auf den Vater indes in der Zeit hin und her. Die Rückblenden erzeugen einen noch tieferen emotionalen Einblick in das Erleben des Vaters. Der Zuschauer gerät so immer tiefer in den Strudel der eskalierend zerstörerischen Drogensucht von Nic und dem ebenso zerstörerischen Unterfangen des Vaters, den Sohn zu retten.
Die atmosphärische Dichte des Films wird durch den eher zurückhaltenden Einsatz von Sprache und durch die Inanspruchnahme von bis ins Detail ausgestalteten Kulissen, Musik, Landschaftsaufnahmen, Bildern und Symbolik verstärkt. Z.B. kommt der gleichnamige Song von John Lennon Beautiful Boy im Film vor. Das Lied handelt von einem Vater, der seinen Sohn nach einem Alptraum tröstet: "Close your eyes - Have no fear - The monster′s gone - He's on the run and your daddy′s here".
Zurück zum Filmplot: David wacht schließlich aus der Endlosschleife seines wahr gewordenen Alptraums auf. Als er von seinen verzweifelten Bemühungen loslassen kann und sich vom Sohn abgrenzt, erfährt die Geschichte eine dramatische Wendung.
» Trailer
2023-03 | Co-ABHAENGIG.de
Seelische Verletzungen sind schwer sprachlich zu fassen. Kreative, künstlerische Ausdrucksformen helfen, einen Zugang zum Schmerz zu finden sowie die Sprachlosigkeit abzumildern. Nicht wenige suchtbetroffene Angehörige schreiben oder malen, um ihre leidvollen Erfahrungen zu verarbeiten. Dies ist eine große Ressource und ich bin oft beeindruckt von den kleinen Kostbarkeiten, welche Angehörige mir zusenden oder welche KlientInnen mit in die Therapie bringen. Nicht selten bin ich der erste Rezipient und bleibe auch der einzige. Das ist schade. Schon länger beschäftigte mich der Gedanke, ob und wie man diesen Werken eine Bühne bieten kann. Ich freue mich, dass es geklappt hat. Co-ABHAENGIG.de hat eine neue Seite erhalten: In Versform.
Ich danke den DichterInnen herzlich für ihre Beiträge. Dreierlei Zweck soll damit verfolgt werden:
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Die Verse wollen Betroffenen einen Spiegel für die eigene Verletztheit und Verletzbarkeit bieten und darüber das furchtbare Gefühl des Abgetrenntseins abmildern, ganz allein mit der leidvollen Problematik auf der Welt zu sein.
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Sie wollen berühren und das - auch und vor allem emotionale - Verständnis der Angehörigenproblematik bei Interessierten und Fachmenschen vertiefen.
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Sie können in Prävention, Beratung und Therapie eingesetzt werden, um anderen Betroffenen einen Spiegel vorzuhallten und andere Menschen für die Angehörigenproblematik der Sucht zu sensibilisieren.
» In Versform
2023-03 | NACOA | COA-Aktionswoche
NACOA Deutschland e.V. hat sich bei allen bedankt, die sich an der Aktionswoche 2023 beteiligt und den Kindern aus Suchtfamilien eine Stimme gegeben haben. Insgesamt habe es bundesweit über 120 kreative und vielfältige Aktionen gegeben. Aus den Fotos und Videos der erstmaligen durchgeführten Social Media-Kampagne #schlussmitdemstigma wurde ein Film erstellt, um darauf aufmerksam zu machen, wie wichtig es ist, das Tabu zu brechen. Auch wurde auf der Website der Aktionswoche ein Pressespiegel mit Beiträgen in Radio und Fernsehen zusammengestellt.
Als jemand, der schon seit vielen Jahren mit Überzeugung und Engagement an der Aktionswoche teilnimmt, denke ich, dass das Thema der erwachsenen Kinder aus Suchtfamilien und auch anderer Angehöriger in der Woche zu wenig Beachtung findet. Umso mehr habe ich mich gefreut, dass der WDR 5-Beitrag "Co-Abhängigkeit: Mitgefangen in der Sucht der Anderen", an dem Chandika Loh, Jil Rieger und ich beteiligt waren, Eingang in den Pressespiegel gefunden hat. - Schauen bzw. hören Sie selbst herein!
» Presse zur Aktionswoche 2023
» Film auf YouTube
2023-02 | COA-Aktionswoche | Workshop
Im Rahmen der COA-Aktionswoche vom 12. bis 18.02. habe ich einen eintägigen Workshop gegeben: Reden, fühlen, trauen. Geladen waren psychotherapeutische KlientInnen, die durch eine Kindheit in einer Suchtfamilie traumatisiert sind. Teil der dissoziativen Symptomatik ist, dass sich die Betroffenen allein und abgetrennt fühlen und nicht über ihr Erleben sprechen können. Sie sind gefangen im stillen Leiden. Der Workshop sollte dazu dienen, Öffentlichkeit herzustellen, Abgetrenntheit abzumildern und Raum für Begegnung und Austausch zu geben. Er war inhaltlich dreigeteilt:
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Scham, Schweigen und Annahme
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Trauer, Verletztheit und Trost
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Wut, Sehnsucht und Lebenslust
In vor allem Paar- und Kleingruppenarbeit wurde Raum gegeben, miteinander zu schweigen, zu reden, sich gegenseitig zuzuhören und sich zu verstehen. Eine Teilnehmerin meldete am Ende zurück, mit ganz viel Angst gekommen zu sein und das erste Mal in ihrem Leben über ihre Vergangenheit und Verletztheit geredet zu haben. Sie drückte Erleichterung und Erstaunen darüber aus, in den anderen einen Spiegel ihrer selbst gefunden zu haben. Eine andere Teilnehmerin lachte und weinte gleichermaßen zum Abschluss, weil sie soviel Wertschätzung erfahren habe, was sie noch nicht einzuordnen wisse.
Für mich als Psychotherapeut war es eine berührende Erfahrung, wie die TeilnehmerInnen über ihren eigenen Schatten gesprungen sind. Betroffene, die nicht weinen können, nicht wütend werden können, keine Nähe eingehen können oder sich selbst ablehnen, haben im Verlauf des Workshops wie selbstverständlich geweint, sind laut geworden und haben es genossen, anderen nahe zu sein und Annahme zu erfahren. - Selbsthilfe ist die beste Hilfe. Die TeilnehmerInnen haben sich verabredet, um über die Gründung einer Selbsthilfegruppe zu sprechen.
Um Ihnen einen Einblick in die Therapie des Suchttraumas zu geben, ist der Impuls Wütender Lebenshunger angehängt, der als Fragestellung für den dritten Teil des Workshops diente. Nutzen Sie ihn gerne, um Ihre Lebenslust und -unlust zu explorieren.
» Wütender Lebenshunger
2023-02 | Bundesweit | COA-Aktionswoche
Vom 12. bis 18.02. findet die bundesweite Aktionswoche für Kinder aus Suchtfamilien unter dem Motto "Vergessenen Kindern eine Stimme geben" statt. Folgendes Zitat stammt von der Website der COA-Aktionswoche und informiert umfassend über Ablauf, Inhalt und Zweck:
Ziele der COA-Aktionswoche: Kinder aus suchtbelasteten Familien sollen gehört und gesehen werden. Mit der COA-Aktionswoche rücken wir Kinder aus suchtbelasteten Familien eine Woche lang in den Fokus der Öffentlichkeit und der Medien, damit deutlich wird: Mehr als 2,6 Millionen Kinder in Deutschland leiden unter Suchtproblemen ihrer Eltern. Wir, das ist zum einen der Verein NACOA Deutschland, der die COA-Aktionswoche bundesweit organisiert – aber natürlich auch alle Mitmachenden, wie Vereine, Initiativen, Organisationen, Anlaufpunkte, COA-Hilfsangebote, Selbsthilfegruppen u. v. m.
Während der COA-Aktionswoche – immer rund um den Valentinstag am 14. Februar:
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sensibilisieren wir Menschen, die mit Kindern arbeiten (Erzieher*innen, Lehrer*innen, Sporttrainer*innen, Jugendgruppenleiter*innen, Ärzt*innen...), Kinder aus suchtbelasteten Familien zu erkennen.
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stellen Projekte und Initiativen mit Aktionen und Veranstaltungen ihre Arbeit vor.
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machen wir Hilfsangebote öffentlich.
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fordern wir politisch Verantwortliche von Gemeinden bis in den Bund auf, sich für mehr Unterstützungsangebote für COAs einzusetzen und diese Hilfen langfristig zu finanzieren.
Die COA-Aktionswoche gibt es seit 2011 in Deutschland und in den USA. Außerdem findet sie z.B. regelmäßig auch in Großbritannien, der Schweiz, in Korea oder Slowenien statt.
» Website
» Aufruf
2023-02 | WDR 5 | Podcast
Die Journalistin Laura Mareen Janssen hat für WDR 5 einen Podcast erstellt: "Co-Abhängigkeit: Mitgefangen in der Sucht des Anderen". In dem Feature kommen die beiden selbstbetroffenen Expertinnen Chandika Loh und Jil Rieger und auch ich als Psychotherapeut zu Wort. Frau Janssen hat die Inhalte der drei Interviews dramaturgisch so kunstvoll miteinander verwoben, dass ein informatives, umfassendes und gut zugängliches Bild zum Thema entsteht, welches gleichermaßen Selbstbetroffene, Fachleute als auch am Thema Interessierte anspricht. Rundum gelungen und hörenswert, wie ich finde! Der Podcast wird am Montag den 13.02. in der Sendung Neugier genügt zwischen 10:04 und 12:00 auf WDR 5 ausgestrahlt und ist auf der WDR 5-Seite aufrufbar. Aus der Anmoderation des Radiobeitrags:
Co-abhängige Menschen sind in der Regel Kinder, Partner:innen oder Freunde von Suchtkranken. Viele von ihnen leiden sehr unter dem Miterleben der Sucht und nicht selten führt das zu gesundheitlichen Schäden, berichtet Laura Mareen Janssen.
Einen Menschen lieben, der suchtkrank ist. Chandika Loh und Jil Rieger haben das beide erlebt. Bei Jil war es die erste große Liebe mit Anfang 20. Chandika heiratet ihren Partner und bekommt 2 Kinder. Das war 1985. 37 Jahre liegen zwischen den Erfahrungen der beiden. Und doch gibt es da diese dunklen Momente im Zusammenleben mit ihren Partnern, die beide kennen: die emotionalen und auch körperlichen Übergriffe, die mit jedem Konsum normaler werden. Und auch das Hoffen, dass alles besser wird, wenn man das Suchtproblem des anderen in den Griff bekommt.
» Podcast auf WDR 5
2023-02 | Rohde, Rieger | Podcast
In seinem Podcast "Schnacken mal anders" unterhält sich Lukas Rohde mit Jil Rieger über ihre co-abhängigen Erfahrungen: "Jil Rieger - Co-Abhängigkeit - Sucht betrifft immer mehr als eine Person". Jil Rieger beherrschte die Kunst, ihre belasteten Lebenserfahrungen in unprätentiöse Worte zu kleiden. Sie macht es sich schwer, damit es leicht wird. Ihre Ausführungen sind authentisch, intelligent und überfordern nicht. Lukas Rohde macht es richtig, indem er durch seine Frage zwar inhaltlich ein wenig steuert, doch ihr dabei viel Raum für die narrative Entfaltung lässt. Eine Betroffene, der ich die Sendung empfohlen habe, meldete mir zurück, durch Jil Rieger verstanden zu haben: "Selbstlosigkeit ist auch eine Sucht. Eigentlich ist es dasselbe, nur in einer Form." Hören Sie mal rein und bilden Sie sich selbst eine Meinung!
Übrigens, Jil Rieger unterhält einen eigenen Podcast zum Angehörigenthema: Liebling, wir sind abhängig!.
» Podcast Schnacken mal anders
» Podcast Liebling wir sind abhängig!
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