Sucht betrifft viele, alle anderen sind als Angehörige betroffen.

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Willkommen

Sie interessieren sich für die Angehörigenproblematik der Sucht? Vielleicht, weil Sie selbst als Kind, Partner, Eltern, Geschwister oder Freund betroffen sind, weil Sie sich in der Selbsthilfe engagieren oder weil Sie als Suchthelfer, Sozialarbeiter oder Psychotherapeut tätig sind? Vielleicht auch, weil Sie aus der Sucht ausgestiegen sind, und erfahren möchten, wie andere unter Ihrem süchtigen Verhalten gelitten haben? Diese Website solidarisiert sich parteiisch mit betroffenen Angehörigen.

Der Domänenname dieser Website soll einer vielschichtigen und facettenreichen Problematik eine eigene Überschrift geben. Angehörige sind nicht nur Anhängsel, sie leiden ebenso unter den Folgen und Begleiterscheinungen der Sucht wie die Suchtkranken. Co-abhängige Erlebens- und Verhaltensmuster sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Betroffenen in der Hilfe für eine nahestehende suchtkranke Person verstricken. Durch die Aufopferung im Dienste der Sucht vernachlässigen sie sich selbst, ihre Lebensinteressen und Selbstfürsorge. Darüber entwickeln sie nicht selten eigene psychosoziale und psychosomatische Probleme und Störungen.

Angehörige benötigen Hilfe, doch sie nehmen oftmals die eigene Not kaum wahr und bagatellisieren sie: "Ist nicht schlimm, alles gut!" Ihr stilles Leiden wird durch die Hilfesysteme nur unzureichend erkannt und infolgedessen fallen sie zwischen die Hilfenetze von Prävention, Jugendhilfe, Suchthilfe und Psychotherapie. In der bewussten Hinwendung zu und Beachtung von Angehörigen, davon bin ich überzeugt, liegt eine enorme Chance, die Hilfesysteme gerechter zu gestalten und eine bessere Vernetzung zu entwickeln.

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2024-09 | NACOA | Berlin

NACOA feiert 20-jähriges Jubiläum

Auch ich bin schon lange Mitglied in der Interessenvertretung für Kinder aus Suchtfamilien. Das Jubiläum wird mit zwei Veranstaltungen am 20.09.2024 in der Villa Elisabeth in Berlin begangen. Vormittags wird eine Fachtagung durchgeführt, in der es schwerpunktmäßig um die Problematik der erwachsenen Kinder gehen soll. Aus der Ankündigung:

Neben einem Impulsvortrag von Dr. Reinhardt Mayer, der anhand der Entwicklung von NACOA Deutschland e.V. einen Überblick über 20 Jahre Arbeit mit und für Kinder aus suchtbelasteten Familien gibt, soll es am Vormittag insbesondere um die Zielgruppe der Erwachsenen Kinder gehen. Wir werden hierzu Jens Flassbeck, Psychotherapeut und Autor, hören und im Rahmen einer Podiumsdiskussion mit Betroffenen und anderen Fachleuten über deren Hilfsbedarfe und bestehende Angebote sprechen. Moderiert wird das Podium von dem Journalisten Andreas Schneider.

Für den Nachmittag sind Workshops geplant, in denen wir uns der Zukunft des gesamten Themas „Aufwachsen in suchtbelasteten Familien“ in verschiedenen Bereichen (Bildung, Medien, Politik, Wissenschaft, Selbsthilfe) widmen, Ideen sammeln, Konzepte entwickeln, Forderungen aufstellen …

Am Abend lädt NACOA zu einer Jubiläumsgala ein. Der musikalischen Rahmen wird durch den Schirmherrn des Vereins, Max Mutzke, und die Sängerin Miss Pirate gestaltet. Gezeigt wird die Fotoausstellung: "Gesicht zeigen! Was erwachsene Kinder suchtkranker Eltern stark gemacht hat". Schließlich wird es die Möglichkeit geben, mit PolitikerInnen zum Thema ins Gespräch zu kommen.

Zum Thema der Kinder in Suchtfamilien ist NACOA meines Erachtens richtig gut aufgestellt. Daher bin ich sehr erleichtert und froh, dass sich der Verein auch dem Thema der erwachsenen Kinder aus Suchtfamilien zugewendet hat und hier zukünftig eine Menge bewegen will. Je mehr Betroffene und Interessierte der Einladung folgen, desto mehr gesundheitspolitischen Nachdruck gewinnt das Thema. Kommen Sie bitte am Freitag, 20.09., nach Berlin, es lohnt sich doppelt!

» Programm Fachtagung
» Einladung Jubiläumsgala

Alle Beiträge der letzten Monate finden Sie auf der Seite Aktuelles.

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2024-09 | Kreativität | Versform

Wachstum durch Kreativität

Heute sprach ich in der Therapie mit einem Klienten, erwachsener Sohn aus einer Suchtfamilie, darüber, wie wichtig Kreativität ist, um den Schmerz über das Erlittene auszudrücken, Alleinsein abzumildern und Verständnis und Trost zu finden. Dem inneren Unglück durch Singen, Tanzen, Malen, Dichten, Fotografieren etc. eine äußere Form geben, kann "schon fast wieder Glück" sein, wie der Dichter Erich Fried es in einem Gedicht ausgedrückt hat. Obendrein holt es den Ressourcenschatz aus dem Schatten des Verborgenen ans Tageslicht. Probieren Sie es selbst aus!

Und dann schickte mir heute eine andere Betroffene ein Gedicht, mit der Erlaubnis, es auf Co-ABHAENGIG.de zu veröffentlichen: "Der Freund - Jungenspiele spielen". Das Gedicht verdeutlicht, wie die Betroffene in Spieldrang, Selbstentdeckung und Welteroberung gehemmt worden ist. Sie drückt ihre schmerzhafte Sehnsucht danach aus, Alleinsein zu überwinden, sich zu befreien und sie selbst zu werden. Der Schreibprozess selbst ist auch und vor allem die heilsame Verwirklichung der verborgenen Ressourcen. Im Folgenden nur einige Strophen. Das vollständige Werk und viele andere finden Sie auf der Seite Versform unter der Rubrik Ansichten.

Der Freund

brettert mit mir Bälle gegen die blau-abblätternden Garagentüren
erzählt mir abenteuerliche Träume, wenn wir längst schon schlafen sollen
mopst eine Waffel aus dem Vorratsschrank, bevor wir wieder nach draußen verschwinden
holt mich aus meiner Barrikade zum Spielen
stromert mit mir zur Tonkuhle
wo wir noch nie waren
neckt mich mit seinen Kumpels
nimmt mich mit zum Baden im Kanal
zeigt mir, wie man ein Fahrrad ganzmacht
jagt mit mir Hühner
kann mit mir traurig sein
hat auch Angst
...

2024-09 | Roman | Rezension

Baron, C. (2020). Ein Mann seiner Klasse. Berlin: Ullstein.

»Mochte mein Vater auch manchmal unser letztes Geld in irgendeiner Spelunke versoffen, mochte er auch mehrmals meine Mutter blutig geprügelt haben: Ich wollte immer, dass er bleibt. Aber anders.«

Kaiserslautern in den neunziger Jahren: Christian Baron erzählt die Geschichte seiner Kindheit, seines prügelnden Vaters und seiner depressiven Mutter. Er beschreibt, was es bedeutet, in diesem reichen Land in Armut aufzuwachsen. Wie es sich anfühlt, als kleiner Junge männliche Gewalt zu erfahren. Was es heißt, als Jugendlicher zum Klassenflüchtling zu werden. Was von all den Erinnerungen bleibt. Und wie es ihm gelang, seinen eigenen Weg zu finden.

Mit großer erzählerischer Kraft und Intensität zeigt Christian Baron Menschen in sozialer Schieflage und Perspektivlosigkeit. Ihre Lebensrealität findet in der Politik, in den Medien und in der Literatur kaum Gehör. Ein Mann seiner Klasse erklärt nichts und offenbart doch so vieles von dem, was in unserer Gesellschaft im Argen liegt. Christian Baron zu lesen ist schockierend, bereichernd und wichtig.

Diese Inhaltsangabe auf der Verlagsseite macht nicht nur Werbung für das Buch, sie entspricht meiner Leseerfahrung. Das Buch ist in meinen Augen die deutsche, neuzeitliche Entsprechung zu dem irischen Klassiker Die Asche meiner Mutter von McCourt und dem amerikanischen Bestseller Ein Haus aus Glas von Walls. Diese beide Bücher und auch die Filme dazu werden Ihnen auf der Seite Medien vorgestellt. Baron wünsche ich, dass seine schmerzhafte und lehrreiche Geschichte ebenfalls verfilmt wird. Lassen wir dem Autor das letzte Wort:

Mit all meinem Zorn und all meinem Glück, mit all meinem Schmerz und all meiner Überraschung, mit all meinem Scham und all meinem Stolz, mit all meiner Angst und all meiner Liebe, mit all meinem Hass und all meiner Hoffnung, mit all meinen Zweifeln werde ich kurz vor meinem Tod dieses eine Wort aussprechen, das mein Vater sein Leben lang nie von mir zu hören bekam: Papa.

» Verlagsseite

Seit ungefähr drei Jahren "fresse" ich mich durch die Literatur zum Thema der Angehörigen Suchtkranker und rezensiere die Bücher. Biografische Romane haben einen besonderen Tiefgang, sie bieten Lesevergnügen und Erkenntnisgewinn. Weitere Besprechungen von Büchern finden Sie unter der Rubrik Romane auf der Seite Medien.

Folgend einige Hinweise zum Gebrauch und zum konzeptionellen Hintergrund dieser Website:

Schmökern

Diese Website ist zum Schmökern gedacht. Sie ist gefüllt mit Informationen, die sich an verschiedene Gruppen richten: Kinder aus Suchtfamilien, PartnerInnen, Eltern, andere Angehörige, Freunde, Kollegen, Suchtbetroffene, Fachleute, Journalisten und alle anderen, die sich informieren wollen. Die Inhalte bilden das Spektrum von trockenen Fachkonzepten bis hin zu kreativen Medien ab. Um Ihnen die Orientierung zu erleichtern, gibt es erstens ein Sidemap, welches Sie auf jeder Seite unten links im Footer aufrufen können. Zweitens finden Sie unten auf den Seiten die Rubrik Obendrein mit Vorschlägen für inhaltlich ähnliche, weiterführende Seiten.

» Sidemap

Eine Angehörigenproblematik

Verschiedene Gruppen sind als Angehörige von Sucht betroffen: Kinder, erwachsene Kinder, Partner, Eltern, Geschwister, Freunde, Arbeitskollegen, Suchthelfer etc. Die Betroffenheit hat zwar viele individuelle Gesichter, doch es gibt meines Erachtens nur eine Angehörigenproblematik. Das möchte ich Ihnen anhand von zwei Argumenten erläutern.

Erstens überschneiden sich die Betroffenengruppen erheblich. Dies liegt an der co-abhängigen Transmission (» mehr). Mädchen - seltener Jungen - aus Suchtfamilien, suchen sich als Erwachsene überdurchschnittlich häufig suchtkranke Partner. Aus diesen (co-)abhängigen Partnerschaften gehen wiederum süchtig und co-abhängig gefährdete Kinder hervor. Geschätzt die Hälfte der Partnerinnen und Mütter und auch, doch seltener Partner und Väter, die ich in über 20 Jahren Angehörigenarbeit behandelt habe, ist biografisch schon durch eine Kindheit in einer Suchtfamilie vorbelastet gewesen.

Zweitens sind alle Personen, die in einem engen, langfristigen Kontakt mit Suchtkranken stehen, denselben Belastungen ausgesetzt: Das berauschte und entzügige Verhalten der Suchtkranken ist selbstsüchtig, verantwortungslos und unzuverlässig. Als Reaktion darauf entwickeln die Angehörigen komplementäre Muster der Selbstlosigkeit, Verantwortungsübernahme und Verlässlichkeit, um die Defizite der Suchtkranken auszugleichen. Auch wenn Kinder zweifelsohne aufgrund ihrer ungefestigten Persönlichkeit besonders vulnerabel sind, sind die psychosozialen Leiden und Folgeprobleme der unterschiedlichen Angehörigengruppen im Prinzip dieselben.

Aus den beiden genannten Gründen wird die Angehörigenproblematik auf dieser Website ganzheitlich betrachtet und behandelt.

Suchthelfer sind Angehörige

Bevor ich mich ambulant als Psychotherapeut niedergelassen habe, habe ich lange als Suchttherapeut gearbeitet. Damals habe ich nach und nach begriffen, dass die Themen und Probleme der Angehörigen ähnlich den beruflichen Herausforderungen der Suchthilfe sind. Auch Suchthelfer können sich in selbst aufopfernden und Verantwortung schulternden Mustern verlieren. Wie Dachdecker vom Dach fallen können, können sich Suchthelfer verstricken. Es ist ihr Berufsrisiko.

Die therapeutische Arbeit mit Angehörigen ist Psychohygiene für Suchthelfer. Indem ich Angehörigen geholfen habe, klarer zu werden und sich besser abzugrenzen, habe ich implizit gelernt, mich gegenüber der suchtkranken Klientel konsequenter zu verhalten. Es hat mir geholfen, sowohl die Sorge für die süchtige Klientel als auch die Selbstfürsorge im Berufsalltag besser auszubalancieren, um nicht auszubrennen und hart und negativ zu werden. Zynismus ist eine häufig zu findende Form der psychischen Beschädigung von Suchthelfern und Angehörigen.

Der Begriff Angehörige wird auf dieser Website als eine Kategorie verwendet, unter die auch Suchthelfer fallen. Alle Inhalte richten sich gleichermaßen an familiär und beruflich Betroffene.

Angehörige von psychisch kranken Personen

Alle Angehörigen von psychisch kranken Personen sind belastet. Warum beschränkt sich diese Website auf das Angehörigenthema der Sucht?

Abhängigkeitserkankungen sind auch psychische Störungen, doch sie unterscheiden sich in einem Aspekt von den meisten anderen psychischen Störungen. Der Suchtmittelmissbrauch ist der Versuch, eine primäre psychische Erkrankung zu bewältigen. Durch den Rausch werden die psychischen Leiden betäubt. Kurzfristig sorgt dies zwar für Erleichterung, doch langfristig verschlimmert sich derart die primäre Problematik und schafft zudem zerstörerische Folgeprobleme. In der Problemverleugnung, den süchtigen Manipulationen, Beschämungen und Beschuldigungen und den rausch- und entzugsbedingten Übergriffigkeiten entwickeln Suchterkrankungen zerstörerische Auswirkungen auf das soziale Umfeld.

Diese schädigenden sozialen Effekte sind bei anderen psychischen Störungen in der Stärke und dem Ausmaß nur selten zu finden. Bitte missverstehen Sie mein Argument nicht, es beschreibt nur eine Tendenz. Ihre konkrete, individuelle Situation kann nämlich ganz anders aussehen, z.B. können Angehörige von Personen mit Impulskontrollstörungen ebenfalls Übergriffigkeiten erfahren. Übrigens gehen solche aggressiven Störungen häufig mit Suchtmittelmissbrauch einher. Nichtsdestotrotz ist - im Gegensatz zur süchtigen Uueinsichtigkeit - den meisten psychisch erkrankten Personen sehr wohl bewusst, dass sie krank sind, und sie tun alles, damit andere nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Diese Website muss inhaltlich begrenzt werden, damit sie nicht ausufert und beliebig wird. Diese Entscheidung hat Vorteile, sie hat aber auch Nachteile. Die Problematik von Angehörigen psychisch kranker Personen wird auf CO-ABHAENIGIG.de implizit berücksichtigt. Sind Sie als Angehörige in diesem Sinne betroffen, sind Sie eingeladen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkunden.

Illustrationen

Die Illustrationen von Prinzessin & Frosch, welche diese Website schmücken, sind von Sina Gruber, eine junge Künstlerin und damals Studentin der Psychologie aus Kassel. Die 23 Werke entstanden 2013 auf Grundlage des Manuskriptentwurfs zum Ratgeber "Ich will mein Leben zurück!"

Anliegen

Co-ABHAENGIG.de habe ich 2010 eingerichtet, als mein erstes Fachbuch zum Thema herauskam. Damals hat es im deutschsprachigen Raum kaum informative Internetrepräsentationen zum Thema gegeben. Seitdem sind zwei weitere Fachbücher entstanden, ich habe eine Reihe an Artikeln verfasst, unzählige Vorträge gehalten, Interviews gegeben und Workshops und Fortbildungen zum Thema durchgeführt. Darüber hatte ich viele bereichernde Begegnungen zu Betroffenen wie auch zu anderen, in der Sache engagierten Fachleuten. Es sind kleinere und größere, kurz- und langfristige Kooperationen zustande gekommen. Vor allem aber habe ich von meinen Klienten gelernt. Ihre Erfahrungen sind für mich Geschenke. Ich bin dankbar, dass ich an ihren Entwicklungen, sich zu befreien und ihr Leben zurückzuerobern, teilhaben darf.

So ist aus dem in der Freizeit gepflegten Steckenpferd mein heutiger Arbeitsschwerpunkt geworden. Mit diesem Prozess ist auch die Website peu à peu gewachsen. Motiviert durch die Kooperation mit der Kollegin und Mitautorin, Judith Barth, habe ich mit dem Jahreswechsel 2020/21 alle Inhalte gründlich überarbeitet, Design und Navigation erneuert und jede Menge neue Seiten hinzugefügt. Das Motiv für mein Engagement hat sich in all den Jahren nicht verändert: Ich möchte über eine tabuisierte Thematik aufklären und zum kritischen Nachsinnen und konkreten Handeln anregen. Darüber hinaus gestalte ich die Website eigenständig und unabhängig und verfolge damit keine wirtschaftlichen, institutionellen oder sonstigen Interessen.

meditierende prinzessin