Sucht betrifft viele, alle anderen sind als Angehörige betroffen.

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illustration nein sagen

Willkommen

Sie interessieren sich für die Angehörigenproblematik der Sucht? Vielleicht, weil Sie selbst als Kind, Partner, Eltern, Geschwister oder Freund betroffen sind, weil Sie sich in der Selbsthilfe engagieren oder weil Sie als Suchthelfer, Sozialarbeiter oder Psychotherapeut tätig sind? Vielleicht auch, weil Sie aus der Sucht ausgestiegen sind, und erfahren möchten, wie andere unter Ihrem süchtigen Verhalten gelitten haben? Diese Website solidarisiert sich parteiisch mit betroffenen Angehörigen.

Der Domänenname dieser Website soll einer vielschichtigen und facettenreichen Problematik eine eigene Überschrift geben. Angehörige sind nicht nur Anhängsel, sie leiden ebenso unter den Folgen und Begleiterscheinungen der Sucht wie die Suchtkranken. Co-abhängige Erlebens- und Verhaltensmuster sind dadurch gekennzeichnet, dass sich die Betroffenen in der Hilfe für eine nahestehende suchtkranke Person verstricken. Durch die Aufopferung im Dienste der Sucht vernachlässigen sie sich selbst, ihre Lebensinteressen und Selbstfürsorge. Darüber entwickeln sie nicht selten eigene psychosoziale und psychosomatische Probleme und Störungen.

Angehörige benötigen Hilfe, doch sie nehmen oftmals die eigene Not kaum wahr und bagatellisieren sie: "Ist nicht schlimm, alles gut!" Ihr stilles Leiden wird durch die Hilfesysteme nur unzureichend erkannt und infolgedessen fallen sie zwischen die Hilfenetze von Prävention, Jugendhilfe, Suchthilfe und Psychotherapie. In der bewussten Hinwendung zu und Beachtung von Angehörigen, davon bin ich überzeugt, liegt eine enorme Chance, die Hilfesysteme gerechter zu gestalten und eine bessere Vernetzung zu entwickeln.

aktionswoche selbsthilfe

2025-05 | Aktionswoche Selbsthilfe

Hilfe zur Selbsthilfe ist die beste Hilfe

Von der Website des Paritätischen Gesamtverbandes (Aktionswoche):

Vom 16. bis 25. Mai 2025 wird zum dritten Mal die Aktionswoche Selbsthilfe stattfinden. Der Paritätische Gesamtverband lädt alle Gruppen, Organisationen und Kontaktstellen der Selbsthilfe innerhalb und außerhalb des Paritätischen herzlich ein, sich an der Aktionswoche zu beteiligen.

Die Aktionswoche wird allen eine Plattform bieten, um innovative Entwicklungen einem breiteren Publikum bekannt zu machen und um den Austausch von Selbsthilfeaktiven untereinander zu fördern. Interessierte sind eingeladen, sich über das aktuelle Geschehen in der Selbsthilfeszene zu informieren und erste Kontakte zu knüpfen.

Die Events werden wieder dezentral in den Ländern von den beteiligten Selbsthilfe-Akteuren durchgeführt und über einen zentralen, digitalen Veranstaltungskalender bekannt gegeben, der vom Gesamtverband betreut wird.

Eine Gruppenmoderatorin einer Selbsthilfegruppe für erwachsene Kinder aus Suchtfamilien hat mir eine E-Mail geschrieben: Herr Flassbeck, hätten Sie vielleicht Lust, aus Anlass der Aktionswoche eine Haltung zur Selbsthilfe zu verfassen und auf Ihrer Homepage zu veröffentlichen? Damit wir die Woche nicht ganz ungenutzt lassen? Alternativ oder ergänzend könnte ich aus der Gruppe heraus einen Text als Impuls beisteuern. Ich verschriftliche gerade eine der jüngsten und schönsten Begegnungen in der Gruppe: "Der rote Ball". Was meinen Sie?

Ich meine, dass das Leben die schönsten Geschichten schreibt und die folgende den Wert von Selbsthilfe trefflich und zärtlich auf den Punkt bringt.

roter ball

Der rote Ball

Auf Anregung einer Teilnehmerin haben wir in der Mitte des Raumes kleine Bälle platziert: drei Igelbälle - zwei rote, einen grünen - und einen großen roten weichen Knautschball, der schon etwas lädiert ist und an Sportunterricht erinnert.

Heute sind wir zu dritt in der Runde. Als die erste Teilnehmerin ihr Anliegen anspricht, nickt die Zweite schon zustimmend lächelnd und auch die Dritte nimmt den Faden auf: wir bleiben heute bei einem zutiefst fraulichen Thema und unseren Erwartungen, Bedürfnissen und Ängsten diesbezüglich. Der Austausch ist äußerst behutsam, interessiert, mitfühlend, aber viel Raum lassend.

Ein sehr angenehmes Schweigen breitet sich aus, als alle durch sind.

Während zwei der Teilnehmerinnen schon längst einen Ball aus der Mitte genommen haben, ihn gedankenverloren kneten, rollen, damit spielen und wir alle unseren Gedanken nachhängen, beginnt die Teilnehmerin ohne Ball zu weinen. Sie berichtet, sich trotz des Austausches gerade eben mit ihrer Haltung zu unserem Thema ausgeschlossen zu fühlen. Was in ihrer Kindheit nur falsch gelaufen sei mit ihr, dass sie so anders ist ... Sie bleibt alleine, ohne Ball, während die anderen beiden zuhören, schweigen, da sind und fast schon liebevoll ihre Bälle mit den Händen wenden und streicheln.

Endlich greift auch sie in die Mitte und nimmt sich den größten, den roten weichen Knautschball. Nur der kleine Grüne bleibt zurück.

Schweigen, nachsinnen, Ball streicheln, atmen.

Sie blickt auf: "Wie wir hier alle drei so sitzen, mit unseren roten Bällen im Schoß [das hat etwas zutiefst Weibliches!] ... es müsste jetzt jemand da sein, der ein Foto von uns macht! Schwarz-weiß. Nur die roten Bälle hervorgehoben. Das wäre ein schönes Bild."

Übrigens trifft sich die Selbsthilfegruppe LEBEN! lernen in meiner Psychotherapiepraxis. Mehr Informationen dazu finden Sie hier: LEBEN! lernen.

2025-02 | ARTE | Serie

In my Skin

Derzeit und bis zum 14.01.2026 läuft auf ARTE die englische Serie In my Skin. Die dark comedy der Autorin und Regisseurin Kayleigh Llewellyn wurde von 2018 bis 2021 gedreht und durch die BBC Three herausgebracht. Aus der Ankündigung auf ARTE:

Die aufsässige und stürmische Bethan verheimlicht in der Schule ihre dramatischen Familienverhältnisse. Die tragikomische Coming-of-Age-Serie mit spitzzüngigen Dialogen zeichnet das subtile Porträt einer Jugendlichen, die ihr Leben auf eine ungewöhnliche Art anpackt.

In Wales gibt sich die 16-jährige Bethan Gwyndaf vor ihren Mitschülern Travis und Lydia fröhlich und sorglos, doch hinter dieser Fassade verbirgt sich ein schwieriger Familienalltag. Nicht genug, dass sie sich um ihre bipolare Mutter Trina kümmern muss. Auch ihr Vater Dilwyn, ein verantwortungsloser Alkoholiker, macht ihr das Leben schwer. Als Trina nach einem manischen Anfall in die Psychiatrie eingewiesen wird, tritt Bethans Schreibtalent zutage.

Nach außen hin spielt sie die aufsässige Jugendliche, daheim fungiert sie als letzte Stütze einer dysfunktionalen Familie. Bethan führt ein Doppelleben und verschweigt ihren Freunden die Dämonen, die ihren Alltag erdrücken. Mit ihrer bipolaren Mutter, die sie vor ihrem alkoholkranken, untätigen und aufbrausenden Vater beschützen muss, trägt das Mädchen eine viel zu schwere Last. Davon lässt sie sich nichts anmerken und flüchtet zusammen mit ihren Mitschülern ins Teenagerdasein, doch irgendwann bricht die Fassade zusammen.

Ohne jemals in Pathos zu verfallen, manövriert die Serie geschickt zwischen dem jugendlichen Leichtsinn der Tochter, den manisch-depressiven Schüben der Mutter und dem Verfall des Vaters, um die übergroße Verantwortung der jungen Protagonistin, die in die Rolle einer Erwachsenen schlüpfen muss, in den Fokus zu rücken. Gabrielle Creevy, Jo Hartley und Di Botcher bilden ein wunderbares Trio aus Tochter, Mutter und Großmutter, das wie eine Ode an die Schwesternschaft anmutet.

Dem habe ich wenig hinzuzufügen. Ich habe die Serie gerade zu Ende geschaut und bin begeistert. Very british und trotz der komödiantischen Schauspielkunst schmerzhaft realistisch! Derzeit habe ich vier Klientinnen in Psychotherapie, die genauso intelligent wie Beth sind und verblüffend ähnliche Schicksale erlitten haben. Eine Warnung möchte ich für alle sensiblen Menschen aussprechen. Die erste Staffel ist über weite Teile eher Komödie, die Tragödie deutet sich nur an und nimmt erst in der zweiten Staffel richtig Fahrt auf. In der Episode 3 der zweiten Staffel explodiert die unterschwellige Anspannung in einen Gewaltexzess. Dies zu schauen, war für mich schwer auszuhalten, weil ich morgens noch eine Klientin da hatte, die von ähnlich schlimmen Erlebnissen erzählt hatte. Und genauso wie Beth konnte sie als Heranwachsende nicht reden und hat keine angemessene Unterstützung erfahren.

In der Folge 4 der zweiten Staffel kommt es zu einem kleinen, zärtlichen Dialog zwischen Beth und der Freundin Cam, der die ausweglose Tragik von Beth unerträglich verdichtet:

Cam: Wer weiß noch davon?
Beth: Niemand. Nur Du.
Cam: Warum hast du nichts gesagt?
Beth: Keine Ahnung.
Cam: Nein, komm schon. Warum?
Beth: Weil ich mich schäme.

Falls sie die schwarzhumorige, nervöse Unterschwelligkeit der ersten Serie und den gewalttätigen Spannungsbogen der zweiten Serie nicht ertragen, schauen Sie ausschließlich die letzte Folge. Sie ist so zartfühlend, so wundervoll, so rührend - nicht alles wendet sich zum Guten und das, was gut wird, ist schmerzhaft -, dass meine Frau und ich die ganze Zeit still geweint haben.

» Stream auf ARTE
» Wikipedia

illustration prinzessin entspannen

2025-02 | Vortrag | Minden-Lübbecke

Verantwortung und Freiheit als Gegenentwurf

Der Landesverband der Freundeskreise ist seit längerem engagiert dabei, die Angehörigen mehr in den Fokus zu nehmen und ihnen adäquate Unterstützung zu bieten. Die Angehörigen sind mittlerweile sogar im Vorstand vertreten und es wurde die empfehlenswerte Broschüre Steig aus! von Angehörigen für Angehörige veröffentlicht. Eine Selbsthilfegruppe Angehörige hatte mich für den 15.04.2025 ins Katholische Gemeindehaus nach Minden-Lübbecke eingeladen. Und die Gruppe hat mir ein brisantes Thema mit reichlich Stoff für Diskussionen vorgegeben. Aus der Ankündigung:

Abhängigkeit ist ein soziales System und dieses System spielt unentwegt Schwarzer-Peter mit festgeschriebenen Rollen: Die süchtigen sind die "armen Kranken" und die Angehörigen haben den schwarzen Peter. Dieses rigide, manipulative Spiel findet nicht nur in den Familien statt, es ist auch definierender Teil des Suchthilfesystems und Teil einer seit Jahrzehnten bekannten gesellschaftlichen Schieflage: Alle Hilfe ist für die Suchtkranken reserviert, während die Angehörigen vergessen oder als Co-Therapeuten benutzt werden.

Was können wir machen, wenn wir gewahr werden, dass wir Teil eines Spiels sind, welches wir nur verlieren können? Es geht meiner Erachtens darum, aus dem abhängigen Schuldspiel auszusteigen, uns die Freiheit zu nehmen, nüchtern Verantwortlichkeiten zu klären: "Für deine Sucht und die Folgen bist du verantwortlich. Ich bin dafür verantwortlich, mich zu schützen, abzugrenzen und mein Leben nach meinen Vortstellungen zu gestalten." Darüber möchte ich mit Ihnen ins Gespräch kommen.

Um anzuregen, wie aus dem Schuldspiel ausgestiegen werden kann, habe ich aus vier Büchern zitiert und zwei Gedichte vorgetragen. Das erste Buch ist Der Mensch in der Revolte von Albert Camus. Die anderen drei Bücher sind Romane zum Thema Kinder aus Suchtfamilien von Juli Zeh, Annabelle Schickentanz und Michelle Halbheer. Die Gedichte stammen von Erich Fried (Sucht) und Annabelle Schickentanz (Sehnsucht) Folgend drei Zitate aus den Büchern:

Camus (S. 27): Was ist ein Mensch in der Revolte? Ein Mensch, der nein sagt. Aber, wenn er ablehnt, verzichtet er doch nicht, er ist auch ein Mensch, der ja sagt aus erster Regung heraus. [...] Gleichzeitig mit dem Widerwillen gegen den Eindringling enthält jede Revolte eine völlige und unmittelbare Zustimmung des Menschen zu einem Teil seiner selbst.

Zeh (S. 190 - 191): Plötzlich weiß er, wie es geht. Es gibt nur einen Weg. Er löst sich von ihr und beginnt, Kleidungsstücke vom Boden aufzuheben und in Lunas Rucksack zu stopfen. [...] "Was soll das?", fragt sie. "Geh", sagt er. Sie schauen sich an. Lunas großer, erstaunter Blick. "Sofort", sagt er. "Hau ab." Sie gehorcht. [...] Er schaut in das Gewirr aus herabsinkenden Flocken. Wunderbare Langsamkeit. Unten tritt Luna aus dem Haus, eine große Frau. [...] Ihre Jacke ist zu dünn, sie wird sich erkälten. Henning öffnet das Fenster, ruft aber nicht. Er lässt den kalten Zigarettengeruch hinaus.

Schickentanz (S. 218): Du könntest entgegnen, dass man zwischen dem Menschen und der Sucht unterscheiden muss, dass die Würde des Menschen es gebiete, ihm zur Seite zu stehen, ihm zu helfen, damit er die Sucht überwinden kann. [...] Der Übergang in eine Co-Abhängigkeit ist ebenso fließend wie die Entstehung einer Sucht. Es sind unsere ungestillten Bedürfnisse, schlafend unter dem Deckmantel der Hilfe, die uns in die Zuwendung drängen. Warum fragen wir nicht danach, welche würdevolle Zuwendung unsere eigenen Bedürfnisse benötigen?

Aus der Diskussion im Anschluss an meine Ausführungen sind mir besonders zwei Fragen nachgegangen: 1. Wie antworte ich, wenn mir jemand mitteilt, dass er sich schämt. 2. Wie geht es, wütend zu werden? Die erste Frage ist relativ einfach zu beantworten: Ein Schamgefühl ist der Ausdruck des Grundbedürfnisses nach Liebe und Bindung. Ein Mensch, der sich in seinem Schamerleben mitteilt, möchte in seinem Sosein, dass er so ist, wie er ist, gesehen und angenommen werden. Die zweite Frage ist die große, immer wieder neu zu stellende Frage nach dem Sinn des Leben: "Was will ich?" Diese kann nur jeder für sich beantworten, die Suche nach den Antworten dauert ein Leben lang. Voraussetzung dafür ist, dass man frei, nur sich selbst verpflichtet ist.

» Abstract zum Vortrag
» Freundeskreise NRW
» Broschüre herunterladen

Folgend einige Hinweise zum Gebrauch und zum konzeptionellen Hintergrund dieser Website:

Schmökern

Diese Website ist zum Schmökern gedacht. Sie ist gefüllt mit Informationen, die sich an verschiedene Gruppen richten: Kinder aus Suchtfamilien, PartnerInnen, Eltern, andere Angehörige, Freunde, Kollegen, Suchtbetroffene, Fachleute, Journalisten und alle anderen, die sich informieren wollen. Die Inhalte bilden das Spektrum von trockenen Fachkonzepten bis hin zu kreativen Medien ab. Um Ihnen die Orientierung zu erleichtern, gibt es erstens ein Sidemap, welches Sie auf jeder Seite unten links im Footer aufrufen können. Zweitens finden Sie unten auf den Seiten die Rubrik Obendrein mit Vorschlägen für inhaltlich ähnliche, weiterführende Seiten.

» Sidemap

Eine Angehörigenproblematik

Verschiedene Gruppen sind als Angehörige von Sucht betroffen: Kinder, erwachsene Kinder, Partner, Eltern, Geschwister, Freunde, Arbeitskollegen, Suchthelfer etc. Die Betroffenheit hat zwar viele individuelle Gesichter, doch es gibt meines Erachtens nur eine Angehörigenproblematik. Das möchte ich Ihnen anhand von zwei Argumenten erläutern.

Erstens überschneiden sich die Betroffenengruppen erheblich. Dies liegt an der co-abhängigen Transmission (» mehr). Mädchen - seltener Jungen - aus Suchtfamilien, suchen sich als Erwachsene überdurchschnittlich häufig suchtkranke Partner. Aus diesen (co-)abhängigen Partnerschaften gehen wiederum süchtig und co-abhängig gefährdete Kinder hervor. Geschätzt die Hälfte der Partnerinnen und Mütter und auch, doch seltener Partner und Väter, die ich in über 20 Jahren Angehörigenarbeit behandelt habe, ist biografisch schon durch eine Kindheit in einer Suchtfamilie vorbelastet gewesen.

Zweitens sind alle Personen, die in einem engen, langfristigen Kontakt mit Suchtkranken stehen, denselben Belastungen ausgesetzt: Das berauschte und entzügige Verhalten der Suchtkranken ist selbstsüchtig, verantwortungslos und unzuverlässig. Als Reaktion darauf entwickeln die Angehörigen komplementäre Muster der Selbstlosigkeit, Verantwortungsübernahme und Verlässlichkeit, um die Defizite der Suchtkranken auszugleichen. Auch wenn Kinder zweifelsohne aufgrund ihrer ungefestigten Persönlichkeit besonders vulnerabel sind, sind die psychosozialen Leiden und Folgeprobleme der unterschiedlichen Angehörigengruppen im Prinzip dieselben.

Aus den beiden genannten Gründen wird die Angehörigenproblematik auf dieser Website ganzheitlich betrachtet und behandelt.

Suchthelfer sind Angehörige

Bevor ich mich ambulant als Psychotherapeut niedergelassen habe, habe ich lange als Suchttherapeut gearbeitet. Damals habe ich nach und nach begriffen, dass die Themen und Probleme der Angehörigen ähnlich den beruflichen Herausforderungen der Suchthilfe sind. Auch Suchthelfer können sich in selbst aufopfernden und Verantwortung schulternden Mustern verlieren. Wie Dachdecker vom Dach fallen können, können sich Suchthelfer verstricken. Es ist ihr Berufsrisiko.

Die therapeutische Arbeit mit Angehörigen ist Psychohygiene für Suchthelfer. Indem ich Angehörigen geholfen habe, klarer zu werden und sich besser abzugrenzen, habe ich implizit gelernt, mich gegenüber der suchtkranken Klientel konsequenter zu verhalten. Es hat mir geholfen, sowohl die Sorge für die süchtige Klientel als auch die Selbstfürsorge im Berufsalltag besser auszubalancieren, um nicht auszubrennen und hart und negativ zu werden. Zynismus ist eine häufig zu findende Form der psychischen Beschädigung von Suchthelfern und Angehörigen.

Der Begriff Angehörige wird auf dieser Website als eine Kategorie verwendet, unter die auch Suchthelfer fallen. Alle Inhalte richten sich gleichermaßen an familiär und beruflich Betroffene.

Angehörige von psychisch kranken Personen

Alle Angehörigen von psychisch kranken Personen sind belastet. Warum beschränkt sich diese Website auf das Angehörigenthema der Sucht?

Abhängigkeitserkankungen sind auch psychische Störungen, doch sie unterscheiden sich in einem Aspekt von den meisten anderen psychischen Störungen. Der Suchtmittelmissbrauch ist der Versuch, eine primäre psychische Erkrankung zu bewältigen. Durch den Rausch werden die psychischen Leiden betäubt. Kurzfristig sorgt dies zwar für Erleichterung, doch langfristig verschlimmert sich derart die primäre Problematik und schafft zudem zerstörerische Folgeprobleme. In der Problemverleugnung, den süchtigen Manipulationen, Beschämungen und Beschuldigungen und den rausch- und entzugsbedingten Übergriffigkeiten entwickeln Suchterkrankungen zerstörerische Auswirkungen auf das soziale Umfeld.

Diese schädigenden sozialen Effekte sind bei anderen psychischen Störungen in der Stärke und dem Ausmaß nur selten zu finden. Bitte missverstehen Sie mein Argument nicht, es beschreibt nur eine Tendenz. Ihre konkrete, individuelle Situation kann nämlich ganz anders aussehen, z.B. können Angehörige von Personen mit Impulskontrollstörungen ebenfalls Übergriffigkeiten erfahren. Übrigens gehen solche aggressiven Störungen häufig mit Suchtmittelmissbrauch einher. Nichtsdestotrotz ist - im Gegensatz zur süchtigen Uueinsichtigkeit - den meisten psychisch erkrankten Personen sehr wohl bewusst, dass sie krank sind, und sie tun alles, damit andere nicht in Mitleidenschaft gezogen werden.

Diese Website muss inhaltlich begrenzt werden, damit sie nicht ausufert und beliebig wird. Diese Entscheidung hat Vorteile, sie hat aber auch Nachteile. Die Problematik von Angehörigen psychisch kranker Personen wird auf CO-ABHAENIGIG.de implizit berücksichtigt. Sind Sie als Angehörige in diesem Sinne betroffen, sind Sie eingeladen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zu erkunden.

Illustrationen

Die Illustrationen von Prinzessin & Frosch, welche diese Website schmücken, sind von Sina Gruber, eine junge Künstlerin und damals Studentin der Psychologie aus Kassel. Die 23 Werke entstanden 2013 auf Grundlage des Manuskriptentwurfs zum Ratgeber "Ich will mein Leben zurück!"

Anliegen

Co-ABHAENGIG.de habe ich 2010 eingerichtet, als mein erstes Fachbuch zum Thema herauskam. Damals hat es im deutschsprachigen Raum kaum informative Internetrepräsentationen zum Thema gegeben. Seitdem sind zwei weitere Fachbücher entstanden, ich habe eine Reihe an Artikeln verfasst, unzählige Vorträge gehalten, Interviews gegeben und Workshops und Fortbildungen zum Thema durchgeführt. Darüber hatte ich viele bereichernde Begegnungen zu Betroffenen wie auch zu anderen, in der Sache engagierten Fachleuten. Es sind kleinere und größere, kurz- und langfristige Kooperationen zustande gekommen. Vor allem aber habe ich von meinen Klienten gelernt. Ihre Erfahrungen sind für mich Geschenke. Ich bin dankbar, dass ich an ihren Entwicklungen, sich zu befreien und ihr Leben zurückzuerobern, teilhaben darf.

So ist aus dem in der Freizeit gepflegten Steckenpferd mein heutiger Arbeitsschwerpunkt geworden. Mit diesem Prozess ist auch die Website peu à peu gewachsen. Motiviert durch die Kooperation mit der Kollegin und Mitautorin, Judith Barth, habe ich mit dem Jahreswechsel 2020/21 alle Inhalte gründlich überarbeitet, Design und Navigation erneuert und jede Menge neue Seiten hinzugefügt. Das Motiv für mein Engagement hat sich in all den Jahren nicht verändert: Ich möchte über eine tabuisierte Thematik aufklären und zum kritischen Nachsinnen und konkreten Handeln anregen. Darüber hinaus gestalte ich die Website eigenständig und unabhängig und verfolge damit keine wirtschaftlichen, institutionellen oder sonstigen Interessen.

meditierende prinzessin